Was kann ich selbst tun?
Was können wir in unserem persönlichen Alltag und Handeln verändern, um zu nachhaltigerer Mobilität beizutragen und darauf hinzuwirken, dass sich auch die politischen Rahmenbedingungen ändern? Hier wollen wir Möglichkeiten zeigen, wie wir nachhaltiger unterwegs sein können. Zu überdenken, wie wir mobil sind, kann auch bedeuten, insgesamt weniger mobil zu sein. Was verhältnismäßig ist, bleibt dabei letztlich natürlich immer die Entscheidung jeder und jedes Einzelnen.
Anders Urlaub machen
Der weltweite Tourismus ist für große Mengen an Treibhausgasemissionen verantwortlich, zu großen Teilen verursacht durch Menschen aus reichen Ländern. Die Anreise mit dem Flugzeug ist dabei der wichtigste Faktor. Wir können aber auch anders Urlaub machen!
Dazu müssen wir unser Verständnis von Urlaub neu definieren und uns den folgenden Fragen widmen:
-
Welche Orte sind mit anderen Verkehrsmitteln als dem Flugzeug erreichbar, an denen ich mich entspannen kann?
- Zum Beispiel Scuba diving im Apostelsee? Oder Kletterwandern auf dem Soonwaldsteig mit einer Übernachtung im Baumhaus? Oder ein Hausboot in Hamburg mieten?
-
Kann ich mein Bedürfnis nach Abenteuer, Erholung, Austausch oder Bildung auch durch neue Aktivitäten und andere Urlaubsformen stillen statt mit Fernreisen?
- Unsere Ideenliste für alternativen Urlaub: Wandern gehen, Kanutour, Erlebnisparks, Sportkurse (Surfen, Tanzen, Reiten, Klettern, Fahrradfahren, Yoga, Segeln), Abenteuer wie Gleitschirmfliegen, Urlaub auf dem Bauernhof für Familien, Erlebniswelten entdecken (Virtual Reality Spiele, Ritterspiele, Center Parks besuchen), Festivals besuchen, regionale Kulturfeste, Eselwandern, Planwagen fahren, Wohnmobil ausleihen, Fahrradtouren, Weinproben, Arbeit in einem nachhaltigen Projekt, z.B. Aufforstung in Waldgebieten, Bogenschießen, Töpfern, Imkern, Italienisch oder Fotografieren lernen…
Ein Motto für klimafreundlicheren Urlaub könnte lauten: Reisen statt Fliegen. Langsames, terranes Unterwegssein schafft mehr Raum für Begegnungen als eine schnelle Flugreise. Für Reisen an weit entfernte Ziele sollten wir abwägen, ob wir sie seltener antreten, und dafür länger bleiben können.
In einer Umfrage der Europäischen Investitionsbank (EIB) von 2019 gaben 36 % der befragten Europäer*innen an, aus Klimaschutzgründen schon jetzt weniger oft in den Urlaub zu fliegen. 75 % sagten, dies 2020 tun zu wollen. Um diesen Trend zu verstärken, müssen gute Alternativen für nahe bzw. Inlandsurlaube bekannter werden. Nachhaltiger Tourismus muss cool werden.
Es gibt bereits eine Vielzahl von Anbietern und Plattformen, die das unterstützen:
-
Reiseveranstalter für nachhaltigen Tourismus:
-
Forum anders reisen: Bündnis nachhaltiger Urlaubsanbieter
-
Alpine Pearls: umweltfreundlicher Urlaub in den Alpen
-
Renatour: Reisen in ganz Europa für Familien, Wander-Fans und Menschen, die sich eine naturnahe Auszeit wünschen
-
Weitere Anbieter für Reisen ohne Flugzeug listet die Webseite fluglos-glücklich
-
-
Portale für nachhaltige Unterkünfte:
-
Wirsindanderswo.de: umfangreiche Informationen rund um nachhaltige Mobilität
-
Good Travel: besondere nachhaltige Unterkünfte für verschiedene Urlaubsarten in Europa
-
Bookitgreen: umweltfreundliche Unterkünfte weltweit
-
Bookdifferent.com: Umweltfreundliche Urlaubsziele weltweit
-
Fair unterwegs: Informationsportal rund um faires Reisen
-
-
Wohnungstausch, zum Beispiel über GuestToGuest, Haustauschferien, Homelink International, Intervac
-
Apps und Anbieter für Reisen ohne Flugzeug:
-
Bahnagentur Gleisnost in Freiburg: Reisen mit der Bahn in verschiedene Länder, Tipps für verschiedene Reisearten (Städtereisen, Erlebnisreisen, Naturreisen…)
-
Kopfbahnhof in Berlin: Auf Bahnreisen spezialisiertes Reisebüro
-
Die Bahnfüchse in Berlin: Auf Bahnreisen spezialisiertes Reisebüro
-
Traivelling: Online Buchung von Bahnreisen weltweit
-
The Trainline: Bahnreisen in Europa planen und buchen
-
Seat Sixty-One: Online Hilfestellungen für die Buchung von Bahnreisen weltweit
-
Rome2Rio: Online Tool zur Suche von Verbindungen mit verschiedenen Verkehrsmitteln durch die ganze Welt
-
Ökologische Alternativen – im Urlaub und im Alltag
Um wirklich nachhaltig reisen, sind mehr Aspekte wichtig als nur das Verkehrsmittel für die Anreise. Ein paar Gedanken dazu finden sich in diesem Artikel. Wenn wir gute Erfahrungen mit nachhaltigem Urlaub machen, können wir gleichzeitig dazu beitragen, den Diskurs über klimafreundlicheres Unterwegssein zu prägen. Je mehr wir ökologischere Alternativen verbreiten, umso überzeugender und etablierter können sie werden.
Auch außerhalb unserer Urlaubsreisen gibt es Möglichkeiten, nachhaltiger unterwegs zu sein, und weniger zu fliegen. So können sich zum Beispiel Schüler*innen dafür einsetzen, ihre Klassenreisen nachhaltiger zu gestalten. Tipps dazu hat das EPiZ Berlin hier zusammengestellt, konkrete Reisetipps und Angebote gibt es etwa bei den Naturfreunden oder beim WWF.
Nächtliche Alternative
Für Klimaschützer*innen sind Nachtzüge auf Strecken von 600 bis 2000 Kilometern eine perfekte Alternative zum Fliegen. Für Strecken, die einer Studie zufolge potenziell mit dem Nachtzug zurückgelegt werden könnten, liegen die durchschnittlichen Emissionen beim Fliegen bei 190 bis 215 g CO₂ pro Passagierkilometer. Wenn die indirekten klimaschädlichen Effekte ebenfalls berücksichtigt werden, ist die klimaschädliche Wirkung derzeit durchschnittlich sogar etwa drei Mal so hoch. Bei der Bahn liegen die Emissionen hingegen nur bei 15 bis 45 g CO₂ pro Passagierkilometer, es wird also sechs bis zehn Mal weniger CO₂ pro Passagierkilometer verursacht. Kommt der Strom für die Bahnen aus erneuerbaren Energien, fahren sie sogar praktisch CO₂-frei. Außerdem fahren Nachtzüge zu Zeiten, in denen es weniger Engpässe auf den Strecken gibt. Für zusätzliche Nachtzüge braucht es deshalb keine neue Infrastruktur, sie könnten relativ schnell zur notwendigen Emissionsminderung im Verkehr bis 2030 beitragen.
Nachtzugverbindungen – reduziert und wieder ausgebaut
Die Deutsche Bahn (DB) hat jedoch leider 2016 alle Nachtzugverbindungen eingestellt. Auch Frankreich hat 2013 und 2017 das Nachtzugnetz stark reduziert. Doch es gibt auch wieder optimistischere Perspektiven. So hat die österreichische ÖBB die Züge und viele der Strecken der DB übernommen. Die schwedische Regierung hat zudem 2020 angekündigt, dass sie Finanzmittel für neue Routen zur Verfügung stellen wird, die ab 2022 Stockholm und Malmö mit Hamburg und Brüssel verbinden sollen. Auch der französische Verkehrsminister hat neue Nachtzugrouten zugesagt. Seit 2020 verkehrt darüber hinaus eine neue Nachtverbindung zwischen Brüssel und Wien. Auch die östlichen EU-Länder Slowakei, Tschechische Republik, Ungarn, Slowenien und Kroatien verbindet seit Juni 2020 ein neuer Nachtzug. In der Schweiz gibt es ebenfalls Überlegungen für neue Routen. Die niederländische Bahn will ab Dezember 2020 eine Nachtlinie von Amsterdam nach Nürnberg und Wien unterhalten. In Deutschland betreibt die US-amerikanische Firma RDC seit 2020 den neuen Alpen-Sylt-Nachtexpress. All diese Neustarts waren jedoch durch die Covid-19-Pandemie besonders schwierig. Es bleibt zu hoffen, dass sie sich trotz der Pandemie dauerhaft etablieren.
Potenziale für Nachtzüge
Nachtzüge werden derzeit eher für Städtereisen im Urlaub genutzt als für Geschäftsreisen. Für letztere sind Nachtzüge eine Alternative, wenn sie zwischen 19 und 23 Uhr abfahren – also nach den letzten Flügen – und zwischen 7 und 9 Uhr am nächsten Tag ankommen. Laut einer Studie der internationalen Bahnbetreiber haben in Europa insbesondere die West-Achse, das heißt London-Madrid und Amsterdam-Madrid, eine Achse von Spanien über Paris, Amsterdam und Brüssel nach London sowie der Südkorridor hohe Potentiale für einen konkurrenzfähigen Betrieb im Vergleich zum Fliegen. In einer Studie für das deutsche Verkehrsministerium hat Fraunhofer ISI in einem realistischen Szenario für sieben Nachtzuglinien eine CO₂-Reduktion um ca. 50 Kilotonnen CO₂ pro Jahr und maximal 100 kt CO₂ pro Jahr berechnet. Würden Nachtzüge jedoch breiter ausgebaut, würde auch ihr Potenzial für den Klimaschutz deutlich steigen: Transport & Environment berechnet die potenzielle CO₂ Reduktion durch 30 neue Nachtzuglinien auf 13 Mt CO₂ pro Jahr.
Ohne staatliche Förderung und bei gleichzeitiger Subventionierung des Luftverkehrs können grenzüberschreitende Nachtzüge oft kaum wirtschaftlich betrieben werden. Denn es gibt eine Reihe von Hemmnissen, die überwunden werden müssen, um die klimafreundliche Alternative zum Fliegen nachts und am Tage zu schaffen und zu nutzen. Dazu gehören zum Beispiel zu hohe Trassenpreise, fehlender politischer Wille sowie mangelnde technische Kompatibilität und Infrastruktur für Buchungen über die Grenzen hinweg.
Weniger Fliegen nach Covid-19?
Im Zuge der Covid-19 Pandemie ist der Luftverkehr unerwartet eingebrochen. Plötzlich waren viele Menschen gezwungen, Alternativen zum Reisen mit dem Flugzeug zu finden. Was können wir aus der Covid-19 Krise in Bezug auf unsere Mobilität lernen? Wo sind wir jetzt schon unabhängig vom Fliegen?
Nach einer forsa-Umfrage der DBU sprechen sich 86 % der Befragten dafür aus, auch nach der Covid-19 Krise Besprechungen und Konferenzen verstärkt per Video oder Telefon zu organisieren. Fast drei Viertel der Bürger*innen meinen, dass auch in Zukunft verstärkt von zu Hause aus gearbeitet werden sollte.
Es scheint also auf große Zustimmung zu stoßen, Geschäftsreisen zu reduzieren. Im Sommer 2020 wollte eine Mehrheit von 80 % der Deutschen sowohl für den Urlaub als auch geschäftlich auf das Fliegen verzichten. Dazu trugen die Angst vor Ansteckung mit dem Covid-19 Virus als auch die noch bestehenden Reisebeschränkungen bei.
Neue Verhaltensweisen, klimafreundliche Alternativen
Am Öko-Institut haben wir 2020 die Erfahrung gemacht, dass die Zusammenarbeit auch ohne Dienstreisen und physische Treffen sehr gut funktioniert. Natürlich kann nicht jedes Treffen durch eine Videokonferenz ersetzt werden. Aber was wir durch die Covid-19 Pandemie lernen, kann unser Reiseverhalten auch langfristig beeinflussen.
Die beispiellosen Umstände der Pandemie können uns dabei helfen, unsere Verhaltensweisen zu überdenken und mit klimafreundlicheren Alternativen zu experimentieren. Positive Erlebnisse, die wir im Urlaub mit dem Auto oder Zug machen und unter “normalen” Umständen nicht gemacht hätten, können dazu führen, dass wir uns nach dem Ende der Pandemie weiterhin anders verhalten. Gleichzeitig kann die erzwungene Entschleunigung auch zu Isolation und weniger Partizipation führen. Vielleicht ist der Drang, weite Reisen zu unternehmen, nach dem Ende der Pandemie umso größer. In welche Richtung die Entwicklung geht, ist im Herbst 2020 nicht abzusehen. Hoffen wir, dass die Krise als Chance für mehr Suffizienz genutzt wird.
Links zu weiterführenden Informationen
-
Weitere Tipps für sanften Tourismus:
-
Blog Postwachstum: Die Corona-Krise als (positive) Suffizienzerfahrung?
-
Euractiv (2020): Sweden’s night train to Brussels to debut in 2022
-
IASS (2020): Klimaschutz im Homeoffice?
-
Transport & Environment (2020): Air2Rail: Reducing CO₂ from intra-European aviation by a modal shift from air to rail, 2020