Weitere Subventionen und mangelnde politische Regulierung
Neben der Besteuerung gibt es weitere Faktoren, die den Luftverkehr indirekt subventionieren bzw. die Kosten für Tickets niedrig halten:
Subventionierung von Regionalflughäfen
Insgesamt 14 deutsche Regionalflughäfen werden in Deutschland jährlich direkt mit ungefähr € 39 Millionen finanziell bezuschusst. Während die meisten dieser Flughäfen Verluste erwirtschaften, werden sie durch diese direkten und weitere indirekte Subventionen über Bürgschaften, Garantien und andere Beihilfen am Laufen gehalten. Das ist ökonomisch und ökologisch unsinnig, denn nur drei der 14 Flughäfen leisten einen relevanten Beitrag zur Konnektivität. Die Subventionen erhöhen zudem die Kosten für die Umwelt, die durch das Fliegen im Vergleich zu anderen Verkehrsträgern entstehen. 2019 wurde beschlossen, dass die Subventionen für Regionalflughäfen noch weiter steigen sollen. Durch die Covid-19-Pandemie wird sich die schlechte finanzielle Lage der Flughäfen jedoch drastisch verschärfen.
Subventionierung von Flugzeugherstellern
Seit 2004 streiten die EU und die USA darüber, ob der jeweils andere Wirtschaftsraum die Flugzeughersteller Boeing und Airbus entgegen geltendem Welthandelsrecht mit Subventionen unterstützt. 2018 und 2019 bestätigte die Welthandelsorganisation (WTO), dass die Flugzeugbauer illegal subventioniert wurden. Boeing hat der WTO zufolge vor allem von einer reduzierten Unternehmenssteuer profitiert. Dadurch hatte das Unternehmen Wettbewerbsvorteile im Ringen um Aufträge. Auch in anderen Fällen bezuschussten Staaten direkt ihre Flugzeughersteller mit hohen Summen. Dies geschah zum Beispiel über Bürgschaften, die Investorinnen und Investoren Sicherheit bieten sollen, die Subventionierung von Sozialplänen, die Vergabe günstiger Darlehen, den Aufbau neuer Fluggesellschaften nach Insolvenz und Hilfen nach dem Fluggäste-Rückgang in Folge der Terroranschläge von 2001.
Arbeitsbedingungen bei Billigairlines
Hinter günstigen Tickets von Billigairlines verbergen sich zum Teil schlechte Arbeitsbedingungen für die Angestellten. Berichten zufolge arbeiten bei manchen Fluggesellschaften sowohl Pilotinnen und Piloten als auch Flugbegleiterinnen und Flugbegleiter häufig als (Schein-)Selbstständige oder sind über einen Leiharbeitsvertrag angestellt und bekommen keinen Lohn, wenn sie krank sind. Ohne festgelegte Stundenzahl pro Monat ist ihr Verdienst unsicher; Ausbildung und Berufskleidung müssen sie selbst bezahlen.
Unterstützung für die Flugindustrie in Zeiten von Covid-19
Die Flugindustrie ist von der Covid-19-Pandemie besonders stark betroffen und verzeichnet extrem hohe Verluste. Dennoch ist es wichtig, die notwendigen Klimaschutzfortschritte in der Branche nicht zu verschleppen. So sprachen sich mehrere Stimmen, unter anderem das Öko-Institut und das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS), dafür aus, Hilfsgelder für die Flugindustrie an die Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen zu knüpfen. So etwa an die Erhöhung von Investitionen für klimafreundliche Technologien und die Umstellung auf modernere Flugzeuge.
Bis Ende Juni 2020 haben europäische Staaten insgesamt knapp € 30 Milliarden Hilfen für Fluggesellschaften versprochen. Die umfangreichsten Staatshilfen bekommt die Lufthansa mit € 9 Milliarden in Form von Darlehen und einer teilweisen Übernahme der Airline. Lediglich zwei der 21 europäischen Rettungsmaßnahmen – für Austrian Airlines und Air France – sind an die Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen geknüpft. So sollen diese Airlines ihre Emissionen für innerstaatliche Flüge bis 2030 bzw. 2024 halbieren. Austrian Airlines soll zusätzlich die Gesamtemissionen pro Passagier bzw. Passagierin und Kilometer bis 2030 um 30 % im Vergleich zu 2005 reduzieren. Außerdem soll die Fluggesellschaft Inlandsflüge reduzieren, insbesondere auf Strecken, auf denen Bahnverbindungen von unter drei bzw. zweieinhalb Stunden existieren. Allerdings bleiben diese Vorgaben rechtlich unverbindlich.
Schlechte politische Bedingungen für Nachtzüge als Alternative zum Fliegen
Nachtzüge können eine Alternative zum Fliegen sein. Um sie stärker nutzen zu können, müssten aber verschiedene politische Hemmnisse überwunden werden. Diese verhindern derzeit, dass das Potenzial von Nachtzügen für den Klimaschutz ausgeschöpft werden kann:
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Hohe Trassenpreise: Eines der größten Probleme für die Nachtzüge sind die Trassenpreise, die im Bahnverkehr pro Kilometer gezahlt werden müssen. Sie belaufen sich auf € 9 bis € 22 pro Zugkilometer. Das macht die Nachtzüge unwirtschaftlich, denn bei Flugzeugen gibt es diese Kosten nicht. Falls die Nachtzüge auch Hochgeschwindigkeitstrassen nutzen, liegen die Trassenpreise sogar um den Faktor 4-5 höher. Die Trassenpreise machen 60 % der Kosten der Nachtverbindungen aus. Hier braucht es ein anderes Modell, das die langen Strecken und die Nutzung von Schwachlastzeiten durch die Nachtzüge berücksichtigt.
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Fehlende Bestellorganisation: In Deutschland fehlt im Gegensatz zu allen anderen europäischen Staaten eine Bestellorganisation für den Schienenfernverkehr, die Nachtzugverbindungen plant und ausschreibt. Ohne Zuständigkeit hierfür werden jedoch keine Verbindungen geschaffen. Die fehlende Zuständigkeit hierzulande, in der Mitte Europas, behindert zudem Planungstreffen der anderen europäische Staaten für grenzüberschreitenden Bahnverkehre.
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Fehlende politische Visionen: Im Klimaprogramm für den Verkehr sind zwar viele Milliarden Euro für die Deutsche Bahn vorgesehen, aber keine Ziele, welche zusätzlichen Strecken und neuen Verbindungen mit diesem Geld geschaffen werden sollen. In Deutschland fehlt es an politischem Willen und politischen Visionen für moderne, komfortable Nachtzüge, die uns emissionsfrei mit den Nachbarländern verbinden. Solche Verbindungen könnten in einer Legislaturperiode komplett umgesetzt werden – viele anderen Verkehrsprojekte im Bahnbereich, die klimafreundliche Alternativen schaffen, brauchen 15 bis 30 Jahre für die Umsetzung.
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Wenig Unterstützung durch große Bahnunternehmen: In den Ländern mit Hochgeschwindigkeitsverbindungen sehen die großen Bahnunternehmen Nachtzüge eher als Konkurrenz zu den schnellen Städteverbindungen. Nachtzugverbindungen werden daher eher gestrichen als geschaffen. So wird auch erklärt, warum die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB), die kein Hochgeschwindigkeitsnetz betreiben, deutsche Nachtzugverbindungen übernommen hat. Die Regierungen und die EU müssen hier Konzepte ausarbeiten und dürfen sich nicht auf die Bahnbetreiber verlassen.
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Geringere Kapazität: In einen normalen Bahnwaggon passen ungefähr 60 bis 70 Reisende und der Zug kann mehrfach täglich dieselbe Strecke fahren. In einen Schlafwagen passen höchstens die Hälfte der Passagierinnen und Passagiere; der Zug fährt nur einmal in 24 Stunden. Außerdem muss zusätzlich Bettwäsche gereinigt werden und Personalkosten können durch Nachtarbeitszuschläge höher sein. Das erhöht die Kosten. In der Vergangenheit wurden Nachtzugverbindungen daher eingestellt, obwohl sie eine hohe Kundenauslastung hatten. Diese höheren Kosten werden auch in Zukunft bestehen, daher sollten die Verbindungen in Abhängigkeit vom Umweltnutzen in wettbewerblichen Verfahren gefördert werden.
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Nutzungskonflikte: Eigentlich sind die Schienentrassen nachts deutlich geringer ausgelastet und hätten damit Kapazitäten für Nachtzüge. Aber nachts werden häufig Baustellen eingerichtet, auf manchen Kernstrecken fahren langsame Güterzüge und es gibt überlastete Knotenpunkte. Auch in den Bahnhöfen gibt es vor allem morgens Engpässe. Laut einer Analyse des Internationalen Eisenbahnverbands UIC sind diese Probleme aber überwindbar. Eine Analyse der Trassennutzung in Europa hat zudem gezeigt, dass die meisten Länder genug freie Kapazitäten in ihren bestehenden Bahnnetzen haben.
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Fehlende Buchungs- und Informationssysteme: Es gibt keine einheitliche europäische länderübergreifende Plattform der Bahnbetreiber für Nachtzüge, über die man Verbindungen suchen und Tickets kaufen kann. Ohne einfache, offizielle Buchungsplattformen wird der Markt aber nicht erschlossen werden.
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Fehlende Kompatibilität: Es gibt technische Probleme durch unterschiedliche Spurweiten, Stromversorgung oder Signalsysteme, die jedes Land für sich entwickelt. Diese Probleme nehmen trotz europäischer Integration eher zu als ab. Die International Union of Railways (UIC) hält diese Hindernisse für überwindbar, aber auch dafür braucht es politischen Willen, um die Koordination in die Hand zu nehmen.
Links zu weiterführenden Informationen
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DIW (2003): Subventionen im Luftverkehr.
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FÖS (2017): Steuergelder für den Flughafen von nebenan.
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FÖS (2020): Regionalflughäfen: Ökonomisch und klimapolitisch unverantwortliche Subventionen.
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T&E (2020): Air2Rail: Reducing CO₂ from intra-European aviation by a modal shift from air to rail.
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Transport & Environment; Carbon Market Watch; Greenpeace (2020): Bailout tracker.
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UIC (2013): UIC-Study Night Trains 2.0: New opportunities by HSR? International Union of Railways.
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ZDF (2020): Der Preis des billigen Fliegens
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Zeit Online (2019): Boeing erhielt laut Welthandelsorganisation illegale Subventionen.