Praktische Schritte und Empfehlungen zur Klimakompensation und Klimaverantwortung
Bei der Kompensation von Flügen empfehlen wir folgende Schritte:
Schritt 1: Ist der Flug wirklich erforderlich? Ein kurzer Check.
Prüfen Sie noch einmal kurz: Ist dieser Flug tatsächlich erforderlich? Gibt es Urlaubsziele, die ich ohne Flugzeug erreichen kann? Ist auch eine andere Art der Teilnahme an einem Treffen oder einer Konferenz möglich, zum Beispiel über eine Online-Meeting? Gibt es alternative Anreisemöglichkeiten, wie (Nacht-)Züge, die zeitlich und finanziell vertretbar sind?
Schritt 2: Klimawirkung quantifizieren
Der Flug ist erforderlich? Dann kann seine Klimawirkung durch verschiedene Rechner quantifiziert werden. Allerdings verwenden verschiedene Rechner unterschiedliche Methoden zur Berechnung der Klimawirkung. Achten Sie darauf, dass der Rechner nicht nur die CO₂-Emissionen, sondern die gesamte Klimawirkung des Flugs berücksichtigt. Außerdem ist es wichtig, dass die Emissionen der Vorkette der Kraftstoffbereitstellung berücksichtigt werden. Hierfür können zum Beispiel die Rechner von Atmosfair, Klima-Kollekte oder PRIMAKLIMA verwendet werden.
Die Berechnung der Klimawirkung von Flügen unterscheidet sich allerdings zwischen verschiedenen Anbietern und Organisationen, vor allem in Hinblick auf die Berücksichtigung der indirekten Klimaeffekte über das CO₂ hinaus:
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Klima-Kollekte und PRIMAKLIMA nutzen den CO₂-Rechner von Klimaktiv. Dieser verwendet für alle Flüge pauschal einen Faktor von 2,7, um die Klimawirkung der Nicht-CO₂-Effekte zu berücksichtigen. Dieser Wert geht auf einen Bericht des Weltklimarates von 1999 zurück.
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Atmosfair hat eine detaillierte eigene Methodik zur Abschätzung der Klimawirkung entwickelt. Da die Klimawirkung stark von der Flughöhe abhängt, wird die typische Flughöhe berücksichtigt, die wiederum von der Strecke des Flugs abhängt. Ab einer Höhe von 9 Kilometern wird ein Faktor von 3 angesetzt, um diese Nicht-CO₂-Effekte zu berücksichtigen. Da manche Flüge diese Flughöhe gar nicht erreichen und auch bei den übrigen Flügen immer ein Teil der Emissionen unter 9 Kilometer ausgestoßen wird (bei Start und Landung), ergibt sich über alle Flüge weltweit gemittelt rechnerisch ein Faktor von etwa 2,7. Kurz- und Mittelstreckenflüge haben nach dieser genaueren Berechnung eine etwas geringere Klimawirkung als bei dem Rechner von Klimaktiv, Langstreckenflüge schneiden hingegen schlechter ab.
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Einige Organisationen, wie die Internationale Zivilluftfahrtorganisation (ICAO) oder die Website Carbon Neutral Now des UN-Klimasekretariats, berücksichtigen in ihren Rechnern nur die CO₂-Emissionen und nicht die gesamte Klimawirkung des Flugs. Die Verwendung dieser Rechner wird daher nicht empfohlen.
Steht der Vergleich zwischen verschiedenen Verkehrsträgern im Vordergrund kann auf die Online-Tools ecopassenger für den Personenverkehr und ecotransit für den Güterverkehr zurückgegriffen werden.
Schritt 3: Klimakompensation oder “Klimaverantwortung”
Entscheiden Sie sich für Klimakompensation oder Klimaverantwortung. Bei der Klimakompensation kaufen Sie im nächsten Schritt Kompensationszertifikate, mit denen die Klimawirkung Ihres Flugs ausgeglichen werden. Bei der “Klimaverantwortung” berechnen Sie ein Klimabudget, das Sie in innovativen Klimaschutz investieren. Hierfür multiplizieren Sie die Emissionswirkung des Flugs mit einem höheren CO₂-Preis.
Schritt 4: Anbieter und Klimainvestition aussuchen
Auf dem Markt für freiwillige Kompensationszertifikate werden eine Vielzahl von sehr unterschiedlichen Projekten von einer Vielzahl von Organisationen angeboten. Das macht eine Auswahl nicht einfach. Wir empfehlen hier keine einzelnen Projekte oder bestimmte Anbieter, unterstützen Sie durch Hinweise und Empfehlungen aber bei der Auswahl.
Grundsätzlich gibt es die folgenden Wege:
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Kauf vom Anbieter ohne Auswahl eines Projekts: Sie kaufen Kompensationszertifikate von einem Anbieter Ihres Vertrauens ohne dabei ein konkretes Projekt auszuwählen. In diesem Fall unterstützen sie praktisch das Projektportfolio des Anbieters.
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Kauf von Zertifikaten aus einem bestimmten Projekt: Sie wählen auf der Website des Anbieters ein konkretes Klimaschutzprojekt aus. Ihr Kauf der Kompensationszertifikate finanziert dann dieses konkrete Projekt.
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Beim Konzept der “Klimaverantwortung” wählen Sie Initiativen mit transformierender Wirkung aus, die sie finanziell unterstützen. Diese Unterstützung kann mittel- und langfristig zu weiteren entscheidenden Durchbrüchen zu den notwendigen Transformationsprozessen führen.
Empfehlungen für die Auswahl eines Anbieters
Die Stiftung Warentest hat verschiedene Anbieter von Kompensationszertifikaten bewertet. 2018 gehörten Atmosfair, Klima-Kollekte und Prima Klima zu den besten Anbietern.
Empfehlungen für die Auswahl eines Kompensationsstandards
Welcher Kompensationsstandard genutzt wird, ist ein wichtiger Faktor für die Qualität der Kompensationszertifikate. Das Umweltbundesamt hat den Ratgeber Freiwillige CO₂-Kompensation durch Klimaschutzprojekte herausgegeben, in dem neben allgemeinen Informationen zur Kompensation auch verschiedene Programme verglichen werden.
Aufgrund eines großen Überhangs an Zertifikaten aus dem Clean Development Mechanism (CDM), sollte dieser nur genutzt werden, wenn die Projekte entweder zusätzlich unter dem Gold Standard registriert sind oder der Weiterbetrieb laufende Einnahmen aus Kompensationszertifikaten erfordert. Nach einer Studie von NewClimate Institute und Öko-Institut gilt dies zum Beispiel für die Vermeidung von N₂O aus der Herstellung von Salpetersäure und effiziente Herde zum Kochen mit Holz.
Empfehlungen für die Auswahl eines Projekts
Das Stockholm Environment Institute und das GHG Management Institute haben eine Website und einen Leitfaden für den Kauf von Kompensationszertifikaten entwickelt. Hier sind hilfreiche Hinweise rund um die Kompensation zusammengestellt, wie zum Beispiel, welche Projekte eher gemieden werden sollten. Auf der Website findet sich auch eine Tabelle, welche Arten von Projekten geringere, mittlere oder höhere Risiken in Hinblick auf ihre Integrität bergen.
Der Preis eines Kompensationszertifikats ist übrigens nur bedingt ein Indiz für seine Qualität, da die Kosten zur Vermeidung von Treibhausgasen sich erheblich zwischen Projekten unterscheiden können. Bei Preisen von wenigen Euro ist allerdings Skepsis angesagt, denn für die meisten Projekttypen ist eine Zusätzlichkeit bei diesem Preisniveau unwahrscheinlich.
Links zu weiterführenden Informationen
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Barata, P. M. (2016): Carbon Credits and Additionality: Past, Present and Future. Washington D.C.: Partnership for Market Readiness, World Bank.
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Ecopassenger: Tool zur Berechnung der Klimawirkung einer Reise
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HLCCP - High-Level Commission on Carbon Pricing (2017): Report of the High-level Commission on Carbon Pricing
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Michaelowa, A.; Hermwille, L.; Obergassel, W.; Butzengeiger, S. (2019): Additionality revisited: guarding the integrity of market mechanisms under the Paris Agreement. In: Climate Policy 19 (10), S. 1211–1224. DOI: 10.1080/14693062.2019.1628695
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NewClimate Institute; Öko-Institut (2017): Vulnerability of CDM projects for Discontinuation of Mitigation Activities: Assessment of Project Vulnerability and Options to Support Continued Mitigation
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NewClimate Institute; Schneider, L. (2020): Future role for voluntary carbon markets in the Paris era. Executive Summary
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Öko-Institut (2016): How additional is the Clean Development Mechanism? Analysis of the application of current tools and proposed alternatives.
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Schneider, L.; Duan, M.; Stavins, R.; Kizzier, K.; Broekhoff, D.; Jotzo, F.; Winkler, H.; Lazarus, M.; Howard, A.; Hood, C. (2019): Double counting and the Paris Agreement rulebook. In: Science 366 (6462), S. 180–183. DOI: 10.1126/science.aay8750
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SEI; GHG Management Institute (2020): Carbon Offset Guide.
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Umweltbundesamt (2018): Ratgeber Freiwillige CO₂-Kompensation durch Klimaschutzprojekte.
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Warnecke, C.; Schneider, L.; Day, T.; La Hoz Theuer, S.; Fearnehough, H. (2019): Robust eligibility criteria essential for new global scheme to offset aviation emissions. In: NATURE CLIMATE CHANGE 9 (3), S. 218–221. DOI: 10.1038/s41558-019-0415-y
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Wuppertal Institut (2018): Additionality après Paris. Stronghold for Environmental Integrity?
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Wuppertal Institut (2020): Kreibich, N.; Hermwille, L. Caught in between: Credibility and Feasibility of the Voluntary Carbon Market post-2020.